Thema: hintn bei der Stadltür

Ostarrichi > Allerlei > Kreatives

hintn bei der Stadltür
16.10.2012 von

hintn bei der Stadltür
16.10.2012 von System1

So… ich bin wieder da, mit meinen alte Lieder in Dialekt.

Dieses Folkslied wovon ich schreibe, sollte eigentlich sehr berümt sein. Ich habe es in meiner Harmonikaheft gefunden und, das erste mal, davon gar nichts verstanden. Dank euerer Hilfe, habe ich aber ietzt schon etwas aus der Finsternis herauszufassen begonnen. Einige Ausdrücke habe ich hier im Ostarrichi Wörterbuch gefunden und, hauptsächlich habe ich mir auch andere zwei Versionen vom Lied gegugelt, die mir zur Textverständnis sehr nützlich gewesen sind.

So [u:2bztk393]brauche ich diesmal keine “Übersetzung”[/u:2bztk393] auf Hochdeutsch. Nur habe ich ein Paar Fragen zu stellen und werde dankbar sein wenn jemand mir antworten wollte:

Die Bedeutung von “Soatn” habe ich nirgendwo gefunden

“oba” (oder “abi”) sollte “hinunter” bedeuten, ist das wahr ? Es lautet eher wie “oben”

“hoit di stad, dass di ned oba draht”
ich bin nicht sicher: heisst das “halt sie (die Tür) fest, damit sie sich nicht öffnet” oder was ?

Und noch eine letzte Frage: hier auch wird von “Geigen” gesprochen, ein “Bäuchl” ist ”kuglrund”, ein “Haferl” wird zerbrochen… könnten vielleicht auch hier alle diese Sexsymbole und auch dieses Lied voll Anspielungen sein ?

Hier die Texte:

1) Originalversion in meinen Händen:

Hinter meina Stodltür

Hinta meina Stodltür,
steht a oita Musketier
spüht auf seina Bossgaing auf,
hod koa Soatn drauf

1 2 3 4 hoit di stad,
dass di ned oba draht
owe übers Hofafeld,
geht’s a bissal schnell,
oba geht’s a bissal schnell

D’Kramerin kraht wia a Hohn,
D’Schmiedin sogt: “I lauf davon!”
(Da) Lehrer schwitzt und singt für zwoa,
Is das des a Gschroa
Oba is das des a Gschroa

1 2 3 4 ….

D’Bäu’rin mocht a trutzigs Gsicht,
Wenn die Dirn a Haferl bricht.
Is des ned a Taifelslärm,
Zwengs a so an Scherm
Oba zwengs a so an Scherm

1 2 3 4 .…


Zweite Version:

hintn bei der Stadltür

Hintn bei der Stadltür
Steaht an alter Musketier,
Spielt auf seiner Baßgeign auf,
Hat koa Soatn drauf (zweimal).

Oans, zwoa, drei, vier halt di stad,
Daß di net abidraht,
Abi übers Haferfeld,
Geahts a bißl schnell! (zweimal)

D' Krumerin krahnt wia a Huhn,
D' Schmiedin sagt:"I laf davun!"
Der Lehrer schwitzt und singt für zwoa,
Isch denn des a G'schroa. (zweimal)

Oans, zwoa, drei, vier ...

D' Bäurin macht a trutzigs Gsicht,
Wenn die Dirn a Haferl bricht,
Isch des net a Teiflslärm
Wegn an so an Scherbm. (zweimal)

Oans, zwoa, drei, vier ...

Ja, der Luisl, der isch gsund,
's Bäuchl isch schian kuglrund,
Und sei Nasn, de hat rund
Oandreiviertl Pfund. (zweimal)

Oans, zwoa, drei, vier ...



Dritte Version (modernisiert bei Hubert von Goisern):

Stadltür

wer das braune bier nit mag
der kommt in das kühle grab
i mecht aber krank nit sein
kellnerin schenk ein

oans, zwoa, drei, vier, hob di stad
dass di nit obidraht
obi übers habernfeld
geht's a wengerl schnell

bäurin macht a grantigs gsicht
bald da dirn a haferl bricht
macht an so an teufelslärm
zwengs den altn scherm

oans, zwei, drei, vier ...

hinter meiner stadltür
sitzt an altre musketier
spüt auf seiner bassgeign auf
hat koa soatn drauf

oans, zwei, drei, vier ...



Interessant zu bemerken die viele kleine Textunterschiede (auch im Titel).
Noch interessanter für mich zu bemerken dass oft die Wörter verschieden ausgesprochen werden von wie sie geschrieben sind... sollte ein Dialekt nicht so geschrieben wie ausgesprochen sein ?
Über jede weitere Bemerkung würde ich mich sehr freuen !

Re: hintn bei der Stadltür
17.10.2012 von Koschutnig

Hallo, vivaferry,

zu deiner Bemerkung, dass du es interessant findest, dass in den Mundart-Gedichten die Schreibung von Wörtern oft anders als ihre Aussprache ist:

Dieselben Lieder werden oft in ähnlichen, aber doch verschiedenen Mundarten gesungen, wo die Aussprache desselben Wortes dann ein wenig anders sein kann (typisch: isch/is oder åbi/åbe/åwi/åwe/obe/obi/owe/owi oder Haber/Hafer/Hofa – die beiden Ersten müssten eigentlich mit å geschrieben werden,
das „a“ ist ziemlich nahe einem [o]; man schreibt dafür gewöhnlich „å“ - wenn man dran denkt).

Auch wird mitunter ein anderes Wort verwendet, wenn eines nicht mehr geläufig ist, z.B. bald/wenn da dirn a haferl bricht.

Da ist übrigens auch grammatikalisch ein beträchtlicher Unterschied zwischen den beiden Verszeilen durch da Dirn und die Dirn:
wenn der Magd (Dativ-Objekt) eine Tasse (Subjekt) bricht : wenn die Magd (Subjekt) eine Tasse (Akkusativ-Objekt) zerbricht


Vor allem geht es wohl darum, dass Leser den Text noch verstehn können, auch wenn sie mit der jeweiligen Mundart nicht sehr vertraut sind, daher wird so manche häufig zu findende Schreibung beibehalten, selbst wenn der Sänger das Wort lokal anders spricht.

Aus dem gleichen Grund (oder aber manchmal automatisch) wird manche Schreibung auch vom Schriftdeutschen übernommen – z.B. das –h- in „geahts“, das –e- in „Schmiedin“ oder in „die“ (es wird ja nicht als Diphthong i.e gesprochen wie z. B. in „lieb“), oder die Schreibung Bäurin und Bäuchl statt Boirin und Boichl.( Erinnerst du dich hingegen ans „noije“ Tanzbodenladl?)

Eine genaue phonetische Darstellung der jeweiligen Mundartaussprache würde überdies sehr kompliziert sein, die „Dichter“ oder Sänger sind aber keine Fachleute; außerdem würden viele Leser große Probleme haben, zu erkennen, was gemeint ist – schau nur die beiden wienerischen Texte an, die JoDo unter "Allgemeines. Kalvarienberg" hereingestellt hat.

Doch selbstverständlich hast du völlig Recht, wenn du meinst, dass ein Dialekt möglichst nahe seiner Aussprache geschrieben werden sollte – doch möchte eben der Verfasser wohl, dass auch andere verstehen, was er sagt. Das führt dann zu Kompromissen.

Zu deinen Einzelfragen (und ein wenig mehr):

Soatn = Seite (lato)/Saite (corda) : Wörter mit altem –ei- oder –ai- werden bairisch zu –oa-, in Wien und in Kärnten aber zu –a- (Geschrei: Gschroa/ Gschrā; eins: oans/ ans; einige/irgendwelche: oane/āne; zwei: zwoa/zwā; keine (Singular): koa/kā; keine (Plural): koane/kāne; klein: kloan/klān; …)

koa soatn = keine Saite (Singular)
Das –n beim Nomen steht in unseren bair. Mundarten bei fast allen Feminina auf –e auch im Singular: a Stråßn, a Gåssn, a Geign, a Wîsn; a Flåschen; Plural: ane Stråßn, ane Gåssn, ane Geign, ane Wîsn; ane Flåschen


åbi, owe = hinab, hinunter
åba , oba = herab, herunter.
Bei Richtungsadverbien bedeutet die Endung –a „her zum Sprecher“,
die Endung –e oder -i = „(hin)weg vom Sprecher“, also das Gegenteil!
(eina <-> eini, außa <-> außi, aufa <-> aufi…)

oba ist in deinem Text jedoch auch „aber“

“hoit di stad, dass di ned oba draht”: Da kommt keine "Türe" vor:

hoit di stad = Verhalte dich still! (stād = still, das hat nichts zu tun mit einem Stådel = Scheune),

dass di ned oba draht = dass/damit es dich nicht herunter „dreht“ (sodass du nicht herunter/herab fällst; „drehen“ für eine Bewegung, z.B. „drah di!“ = verschwinde!)

an Scherm = einen Scherben = Topf

båld = wenn


Und noch zur Frage: “Geigen”, “Bäuchl” ist ”kuglrund”, ein “Haferl” wird zerbrochen.

Ich seh keinen Zusammenhang zwischen den Strophen und auch keine Anspielungen
(gewisse Gedanken mögen allerdings da sein). Das kugelrunde Bäuchl hat übrigens „der Luisl“ – und bei uns ist trotz aller Gleichberechtigung das Kinderkriegen noch ausschließlich den "Menschern" (= Frauenspersonen) vorbehalten. Männer bekommen das Bäucherl eher vom Bier, davon vielleicht auch eine 0,87 kg schwere Nase wie der Luis.

LG

K.

Re: hintn bei der Stadltür
18.10.2012 von System1

Nochmal Danke Koschutnig !

Dein Unterricht ist für mich wirklich sehr interessant und wichtig. Schon habe ich begonnen meine Texte, mindestens schriftlich, zu verstehen. Ich versuche jetzt mir auch einige Youtube-videoclip anzuhören, die in Dialekt gesprochen sind. Früher hätte ich fast nichts verstanden, jetzt kann ich schon etwa 30-40 % verstehen. Ich werde weiter lernen da dieses Thema mich sehr interessiert.

Tröstend ist es für mich, dass du auch in diesem Lied keine grosse allgemeine Bedeutung findest...

Einloggen





Impressum | Nutzung | Datenschutz

Österreichisches Deutsch bezeichnet die in Österreich verwendeten sprachlichen Besonderheiten der deutschen Sprache und ihres Wortschatzes in der hochdeutschen Schriftsprache. Davon zu unterscheiden sind die in Österreich gebräuchlichen bairischen und alemannischen Dialekte.

Das vom österreichischen Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung mitinitiierte und für Schulen und Ämter des Landes verbindliche österreichische Wörterbuch dokumentiert das Vokabular der deutschen Sprache in Österreich seit 1951.

Teile des Wortschatzes der österreichischen Standardsprache sind, bedingt durch das bairische Dialektkontinuum, auch im angrenzenden Bayern geläufig. Die Seite unterstützt auch Studenten in Österreich, insbesondere für den Aufnahmetest Psychologie und den MedAT für das Medizinstudium.

Einige Begriffe und zahlreiche Besonderheiten der Betonung entstammen den in Österreich verbreiteten Mundarten und regionalen Dialekten, viele andere wurden aus nicht-deutschsprachigen Kronländern der Habsburgermonarchie entlehnt. Eine große Anzahl rechts- und verwaltungstechnischer Begriffe sowie grammatikalische Besonderheiten gehen auf das österreichische Amtsdeutsch im Habsburgerreich zurück.

Außerdem umfasst ein wichtiger Teil des speziell österreichischen Vokabulars alles rund um die Küche.

Daneben gibt es in Österreich abseits der hochsprachlichen Standardvarietät noch zahlreiche regionale Dialektformen, hier insbesondere bairische und alemannische Dialekte. Diese werden in der Umgangssprache sehr stark genutzt, finden aber keinen direkten Eingang in die Schriftsprache.